Die aktuelle Kritik

Theater Vanessa Valk: „Hundeherz. Versuch einer Wiederbelebung. Ein tierisches Figurentheaterprojekt"

Von Manfred Jahnke

Im Rahmen der Reihe „Remember me“ zeigt Vanessa Valk am FITZ! ein biografisches Solo.

Da hat eine Frau am Freiburger Theater während der Intendanz von Barbara Mundel gearbeitet. Sie war nicht nur die Figurenspielerin am Hause, sondern mehr noch die Frau mit dem Hund. Aber nun ist der Pudelterrier Anton tot: Ganz subjektiv begibt Vanessa Valk mit dem Tod ihres Hundes sich auf eine Reise, die nicht nur die Erinnerung aktiviert, sondern sich immer mehr in das Philosophische weitet, Fragen wie die nach dem Animalischen im Menschen zu erforschen versucht.

Angeregt durch den Film „Heart of the dog“ der amerikanischen Performance-Künstlerin Laurie Anderson eilt Valk in leichtem „Business-Anzug“ durch ihre Erinnerungen und Verwandlungen, nimmt doch schließlich die Herrin die Verhaltensweisen ihres Anton an, wie umgekehrt sich der Hund vermenschlicht. Das Bühnenbild deutet ein modernes Büro an mit einem langen Schreibtisch, auf dem Aktenordner und ein Laptop stehen. Dahinter gibt es zwei schmale Wände, die einen Schrank sein könnten, sich aber als Projektionsfläche für Videos und Bilder erweisen. Rechts vom Schreibtisch steht ein geschlossener Papiereimer, am Boden links einige Aktenordner (aber kein Telefon!). Das ist der Raum, in dem die Figurenspielerin in einem multimedialen Kontext agiert. Tine Beutel hat tolle Videos geschaffen, mit spannender Animation, die die Performance unterstützen. Der Text, der zunächst im bloß Subjekthaften zu verharren scheint, weitet sich zu einer Chronologie, die bei Trumps Präsidentenantritt beginnt. Video, wie die überzeugenden musikalischen Kompositionen von Johannes Frisch machen „Hundeherz“, wie Vanessa Valk ihre Hommage an Anton nennt, zu einem kleinen Gesamtkunstwerk, das ganz aus der Stille der Erinnerung heraus entsteht.

Aber was wäre „Hundeherz“ ohne die Herrin? Schon bewundernswert, wie es Vanessa Valk mit minimaler Gestik schafft, einen Hund lebendig zu machen. Sie muss dazu nicht einmal bellen (wenn in dieser Aufführung bellen zu hören ist, dann vom Band), sondern es reichen leicht erhobene Nasenflügel, um das typische Schnuppern eines Hundes (abstrakt) anzudeuten. Aber mehr noch, wie sie sich mit schwarzer Hundenase und buschigem „Bart“ selbst verwandelt, ihren Körper dehnt und streckt, lässt, ohne dass im Vollkostüm imitiert wird, im Zuschauer sofort das Bild eines Pudelterriers entstehen, kurz: Animation vom Feinsten. Einfühlsam agiert Valk in der Regie von Frank Soehnle, man spürt in jeder Bewegung die Liebe zum Hund, der eigentlich immer noch da ist. Und, da, wie schon angedeutet, sich „Hundeherz“ zu einer philosophischen Betrachtung über den Tod im Leben weitet, erhält dieser „Essay“, wie das Stück in der Vorankündigung genannt wird, eine ungeheure Tiefe. Und bestätigt, wie der Untertitel – „Versuch einer Wiederbelebung. Ein tierisches Figurentheaterprojekt“ paradox ausdrückt: Solange noch jemand ein totes Lebewesen in Erinnerung hat, lebt es weiter.

Aber Valk lässt es nicht bei der bloßen Animation des Hundes bewenden, sondern sie beleuchtet auch die Beziehung zwischen Mensch und Hund und umgekehrt. Im Spiel mit kleinen Puppen wird diese gegenseitige Beziehung aufgearbeitet, aber nicht als Trauerarbeit, sondern neugierig sich vorsichtig an das komplexe Thema herangetastet. Dabei setzen sie und Frank Soehnle immer wieder überraschende Mittel ein: Ihnen ist ein toller Abend gelungen. Und für die „Remember“-Reihe des FITZ! ein weiteres spannendes Stück.

 

Uraufführung: 16.05.2019

Foto: Julia Pogerth

Idee, Spiel, Ausstattung, Produktion: Vanessa Valk
Regie: Frank Soehnle
Musik: Johannes Frisch
Video: Tine Beutel

Choreografie: Alice Gartenschläger
Figurenbau: Vanessa Valk und Arne Bustorff
Technik: Christian Glötzner

Hundeherz ist eine Koproduktion mit dem FITZ – Theater animierter Formen Stuttgart, dem Theater Tuchlaube Aarau, CH und dem EWerk Freiburg. Gefördert durch den Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg e.V. aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Kulturamt der Stadt Freiburg und der Stiftung LB BW.

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