Die aktuelle Kritik

Figurentheater Chemnitz: "Biff Baff Bäng"

von Marianne Schultz

Eine schlaue Geschichte über den Wilden Westen und zur Einwanderung in die neue Welt.

 

Einwanderung in die Fremde

Der wilde Westen ist, was er ist: Nicht niedlich und verheißungsvoll, dafür lebensgefährlich und nur zu meistern, wenn man gute Freunde hat: Aye Aye Maaki, der sanfte Affe, ein lebensgroßes, haariges, zotteliges, nicht sehr hübsches und traurig dreinschauendes Tier auf dem Arm des Puppenspielers, muss diese Erfahrung machen. Mit ein paar naiven Hoffnungen auf ein besseres Leben hat er sich auf den Weg gemacht, das freie Land seiner Träume zu finden – und seine Stammesgefährten in Ghost Town. Nun muss er froh sein, wenn er die Strapazen als blinder Passagier, als armer Wicht ohne Papiere im Hafen von New York überhaupt überlebt.

Matthias Ludwig (Regie) und Arne van Dorsten (Spieler) haben die Wildwest-Story „Biff Baff Bäng“ in einer Uraufführung am Figurentheater Chemnitz entwickelt, ein Stück, das sich an Kinder ab sechs Jahre wendet. Besser ist es freilich, die Kinder sind etwas älter, denn die Turbulenzen auf der Bühne, die physische Dominanz des kraftvollen Spielers könnten einem jüngeren Kind doch Angst machen, das noch an eine heile Welt, an Gerechtigkeit und an geordnete Zustände glauben will.

Arne van Dorsten, der als gewiefter Schausteller Doc Ringo diese turbulente Story erzählt, ist so trickreich wie seine Helden: Er brüllt, er fällt, er schlägt, er schießt. Er nimmt durch seine Puppen vielfältige Gestalt an, wird ganz sanft und säuselnd, wenn sich der Affe in die schöne Füchsin Fanny verliebt. Und dann, wenn Aye Aye Maaki mit seinem Freund am Marterpfahl um sein Leben fürchtet, schlägt der Spieler als Orakel unheimliche, düstere Töne - letztlich lebensrettende - Töne an.

Van Dorsten als Doc Ringo pokert mit harten Gangstern: Sehr witzig sind diese lediglich als Hüte dargestellt, bevor sie in einer Schießerei enden. Der Spieler quasselt sich durch eine grandiose Schnellsprechnummer, und wenn die Verfolgung an Leib und Leben durch finstere Mächte am größten wird, geht auch noch das Bühnenlicht aus, und ein Lämpchen zaubert bizarre Schatten auf verzagte Helden. Es dampft und zischt und verlischt auf der Bühne. Die Nebelmaschine wird mit Volldampf im Krieg gegen eine entseelte Militärmaschine angeworfen, so dass der Zuschauer auch physisch im Spiel mitgenommen wird.

Andererseits fasziniert den Betrachter genau dieses komplexe, filmische Aufgreifen des Themas Auswanderung, die treffsichere Benennung der Gefahren, die einem Einwanderer in der Fremde blühen.

Parallelen zur Gegenwart sind in dieser starken Story beabsichtigt. So wird der sanfte Immigrant mehr als unsanft herumgeschubst - auf dem Schiff der Einwanderer reist er als blinder Passagier, der sich verstecken muss, dem schlecht wird. Ganz menschlich. Immer wieder stößt er auf Hindernisse auf dem Weg in die Freiheit, was heißt: Willkommen ist er nicht.

Marcel Teske (Bühne, Kostüm und Puppen) hat eine originelle Schaustellerbühne gebaut, auf der Doc Ringo seine gefahrenvolle Welt entwirft. Sie ist Schauplatz für Schiff und Hafen, für Prärie, Indianerdorf und Ghost City. Mit wenigen Handgriffen wird aus Brettern der brüchigen Bühnen-Bude ein neuer Schauplatz gebaut. Als Liftboy saust Aye Aye Maaki zwischen den Wänden rauf und runter, in einer Kutsche - winzig klein, wird er verfolgt von gierigen Reitern. Es geht noch winziger, wenn van Dorsten mit den Fingern Ballett tanzt.

Das Ganze steht und fällt mit dem überaus präsenten, wuchtigen Spieler: Der präzise Ganzkörpereinsatz, die pantomimischen Fähigkeiten Arne van Dorstens sind bemerkenswert. Er bespielt gleichzeitig mehrere Puppen, wechselt die Ebenen von klein zu groß, von Totale zu Detail. Vor allem aber sind es die liebenswerten Helden, die überraschende Story ohne Happy End und ohne erhobenen Zeigefinger, die das Stück so überzeugend machen: Der Affe ist nicht besonders schlau, aber entwaffnend offen und voller Neugier auf sein neues leben. Und sein bester Freund, die listige Eule St. Patrick, ist sogar ein Antiheld, alt, krank, verdrossen, eigensinnig, zerzaust.

Letztlich wird St. Patrick sein Eulenleben für den Freund geben. Das gelobte Land findet unser Held nicht, aber der Aufbruch zu neuen Ufern macht ihn stark. Insofern ist dies eine gute Geschichte.

 

Premiere (UA): 20. Februar 2016

Regie: Matthias Ludwig
Text: Matthias Ludwig, Arne van Dorsten
Bühne/Kostüme/Puppen: Marcel Teske
Musik: Matthias Petzold
Dramaturgie: René Schmidt
Foto: Dieter Wuschanski

 

0 Kommentare

Neuer Kommentar