Die aktuelle Kritik

Theater Junge Generation: „Alarm im Kasperletheater“

von Andreas Herrmann

Peppige Musicalversion des leicht angegrauten Stoffs mit Ausflügen in die Gegenwart.

 

Verfressener Teufel als Musicalheld

„Da ist der Teufel mit den Pfannekuchen“ – dieser Ausruf, der sich im berühmten Jagdstreifen „Alarm im Kasperletheater“ mehrfach wiederholt und eine neue Runde der wilden Hatz auslöst, ist jedem ostdeutsch Sozialisierten ein eingespeicherter Leitsatz.

Der berühmte Defa-Trickfilm ist nunmehr 56 Jahre alt, das Bilderbuch, von Nils Werner recht streng gereimt und von Heinz Behling aufwändig bebildert, gar noch zwei Jahre reifer. Beide taugen nicht so recht für eine tragende Bühnenfassung, der Kultfilm dauert gar nur 16 Minuten. So hat sich in Dresden Regisseur Lorenz Seib eine eigene geschaffene. Diese passt in den Rahmen, denn während die Schauspieler per „Robin Hood“ im benachbarten Zoo spielen, hat das Theater Junge Generation auch noch das Sonnenhäusel im Großen Garten als unaufgeregte Naturspielstätte, direkt hinter gläserner VW-Manufaktur und Botanischen Garten sowie Pionierbahnhof gelegen, zu bespielen. Bis zu den Sommerferien bespielen sie sie sogar nahezu täglich, was die Kindergärten der Stadt gerne annehmen, wie an schönen Tagen überhaupt alle nichtschulpflichtigen Kinder durch die Parkanlage zu tollen scheinen.

Seib macht aus dem Stoff eine peppige Musicalversion, die sich durchaus dem manchmal recht hölzernen Ursprungstext verpflichtet sieht, aber Ausflüge unternimmt in die Gegenwart, aus den Rollen und in neue Musiktitel von Christoph Hamann, im Halbplayback vorgetragen. Nicht alles ist dabei schlüssig, auch dürften die meisten Dresdner Besucher mit dem Künstlerdisput um die Unis Gießen und Hildesheim als Insider-Stigma nicht viel anfangen können. Sehr schön sind – neben der Spielidee mit Doppelbühne – die abstrakten Puppen und Kostüme von Lisette Schürer. Da hat der König einen goldenen Kegelkopf, der Räuber einen rechteckigen Schädel in Bildschirmformat und das lustige Krokodil, welches am besten singt, gleicht einem Kastenbrot.

Alles ist in vier Leitfarben gehalten, die auch die Kleidung der Spieler einschließt und die beiden klassischen Puppenkastenbühnen umfasst. Deren unterer Teil ist in Streifen gehalten, so daß Puppen (vorn) wie Spieler (hinten) schnell hindurch schlüpfen können. Das ist nötig, denn es ist überaus Tempo im Spiel, wenn die Gestalten – keine ist wirklich echt Held oder Schurke – den lustigen, kugelrunden Teufel jagen. Das geht stolpernd über rote Ampeln (dank Teufel-App), surfend übers Meer oder schwebend per Ballon in die Lüfte, wo die süßen Dinger am besten schmecken, aber der Kaspar mittels Räubers Pistole die Wolke des frechen Bösewichts eiskalt zerschießt…

Natürlich kommt dem beweglichen Manuel de la Peza, der ganz in Violett neben dem Teufel auch in Teilzeit den Kaspar bedient, zurecht die größte Begeisterung zu, wobei vor allem Kindergartengruppen und Großeltern samt Enkeln das Rondell bevölkern. Aber auch die anderen (Anna Charlotte Menzel, Annemie Twardawa und Christoph Levermann mit wechselnden Figuren) drehen dynamisch tänzelnd manche Runde um die lauschige Spielstätte. Diese ist nur durch Hecken vom großartig weiten und blühenden Garten getrennt. Die Darsteller wären trotz furiosen Zusammenspieles nach diesem Sommer wohlhabender, würden sie nach Kilometer bezahlt.

Nur das Happy-End – der Teufel ist bestraft, es gibt neue Pfannekuchen und alle haben sich lieb, obwohl sie nun, nach 50 Minuten Teufeltreibjagd, doch zu Omas Geburtstag müssen – kommt dann recht überraschend und ziemlich stringent. So kommt der zweite Kernsatz, des Teufels „Oioioioioioioi“, der nach all dem Genuss von großem Bauchweh und ein klein wenig Reue geplagt wird und den auch jeder gelernte DDR-Bürger ab gewissen Alter stilecht zelebrieren kann, ziemlich kurz.

Dennoch: Ein gelungener Sommerspaß für junge Menschen von vier bis zehn und Ossi-Eltern ab 44 Jahren, die den Filmgenuss keineswegs obsolet machen, aber auch nicht zwingend voraussetzen. Die nächste Dresdner Puppenpremiere wartet erst im Dezember im neuen Haus im Ex-Kraftwerk-Mitte – „Hochspannung“ ist das Startcredo. Man darf also gespannt sein.  

 

Premiere: 28. Mai 2016

Theater Junge Generation, „Alarm im Kasperletheater“ (Sonnenhäusel im Großen Garten)
Regie: Lorenz Seib
Ausstattung & Puppen: Lisette Schürer
Musik: Christoph Hamann
Es spielen: Christoph Levermann, Anna Charlotte Menzel, Manuel de la Peza, Annemie Twardawa
Foto: Dorit Günther

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