Die aktuelle Kritik

Theater Salz & Pfeffer Nürnberg: "Gehört das so?"

Von Mascha Erbelding

Eine Inszenierung (auch) für Gehörlose, die zeigt wie man ohne Hörsinn die Welt wahrnimmt.

 

Foto: Berny Meyer

 

Empathie fürs Anderssein

Es beginnt mit Musik oder besser: einer Klangkakophonie: Ein junger Straßenmusiker ( Yevgeniy Davydov) gibt den Kurt Cobain, eine junge Frau (Elizaveta Milyukova) schiebt ein E-Piano auf die Bühne und hält unbeirrt mit „Für Elise“ dagegen. „Gehört das so?“ möchte man, dem Titel des Stückes nach dem Bilderbuch von Peter Schössow folgend, fragen – schließlich ist das Stück ja als Inszenierung auch für gehörlose Kinder angekündigt. Gut dass die Schauspielerin Suzanna Abel, wie um diese Frage zu beantworten, als weitere Figur und Erzählerin auftritt und jetzt wie auch im folgenden in Gebärdensprache vermittelt. Regisseur Paul Schmidt hat sich bewusst dafür entschieden, auf ein Dolmetschen des gesamten Stückes zu verzichten und gewinnt damit die Freiheit, die Gebärdensprache fast selbstverständlich ins Bühnengeschehen zu integrieren. So übersetzt Suzanna Abel frei wichtige Texte, ist aber Teil der Handlung als Erzählerin und Fotografin, deren Bilder, die sie wie eine Touristin unermüdlich mit dem i-Pad schießt, auch auf eine Leinwand an der Bühnenrückseite projiziert werden. Dass die Stimmung der Musik, die in der ganzen Inszenierung Atmosphäre macht, damit nicht „übersetzt“ wird, ist eine Lücke, die dabei bewusst in Kauf genommen wird.

Die Erzählebene in Gebärdensprache wird von den anderen Spielern, ergänzt um die Figurenspieler Wally Schmidt und Marcus Zollfrank, zu Beginn kurz noch einmal hinterfragt und als besonderes Können, wie etwa Musik spielen, erklärt. Und damit ist das Thema, zumindest formal, abgehakt. Inhaltlich hat die Geschichte um das kleine Mädchen mit der großen roten Lacklederhandtasche, in der sich ihr toter Kanarienvogel Elvis befindet, dennoch sehr viel mit unserem Umgang mit Menschen, die anders sind, mit Empathie, zu tun. Aus der Perspektive der Beobachtenden folgen Buch und Bühnenfassung der Kleinen, die in einem Park immer wieder verzweifelt „Gehört das so?“ ruft. Die Beobachtenden, das sind, auf der Bühne umgesetzt als Figuren, ein kleiner dicker Mann mit Hund, eine sehr große Frau, ein noch kleinerer Mann mit Koffer, ein Bär und eine Art geflügelte Elfe. Immer weiter folgt die seltsame Gesellschaft der Kleinen. Was jedoch im Bilderbuch durch die Bildkomposition abwechslungsreich gerät, wird auf der Bühne zum Problem. Die sechs Figuren um die wunderbar trotzig und traurig gelungene Figur des Mädchens kommen nicht richtig ins Spiel, sondern müssen im Wesentlichen immer wieder neu als Zuschauer gruppiert werden. Ob es da nicht vielleicht besser gewesen wäre, auf einige Figuren zu verzichten und die Charaktere der Spieler, die ohnehin schon zum erzählerischen „Wir“ der Beobachtergruppe gehören, noch auszubauen? Das hätte den großen Schwung der Inszenierung vielleicht noch mehr beflügelt, als es die musikalischen Kompositionen und Arrangements von Alex Bayer (witzig etwa: „Alle Vögel sind schon da“ und „Get lucky“ von Daft Punk als Mashup) ohnehin schon tun.

Gehört das also so? Auf jeden Fall! Für Gehörlose ist die Inszenierung eine Alternative und Erweiterung zu den Angeboten der Gehörlosenkulturszene. Und Hörende können sich, während sie der Geschichte folgen, fragen, wie man wohl ohne den Hörsinn die Welt wahrnimmt und die Augen öffnen lernen für das nächste, vielleicht tonlose, „Gehört das so?“ in ihrer Nähe.

 

Gehört das so?

Theater Salz & Pfeffer

Nach dem Buch von Peter Schössow
Regie: Paul Schmidt

Musikalische Leitung/Komposition: Alex Bayer

Klavier/Gesang: Elizaveta Milyukova
Gitarre: Yevgeniy Davidov
Spiel: Suzanna Abel (mit Gebärden), Wally Schmidt, Marcus Zollfrank
Puppenbau/Bühnenbild: Uschi Faltenbacher, Tine Ambrosch, Paul Schmidt, Peter Lutz

Videotechnik: Nodari Tschabaschwili
Kostüme: Heike Endres

Premiere: 28. Juni 2014

 

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Homepage des Theaters Salz & Pfeffer

 

 

In Zusammenarbeit mit double - Magazin für Figuren-, Puppen- und Objekttheater

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