Die aktuelle Kritik

Figurentheater Anne-Kathrin Klatt: "Glamour Phoenix – fashion & war"

Von Arnim Bauer

Ganz neue, fantasievolle Betrachtungen der Modewelt. Das Figurentheater Anne- Kathrin Klatt befasst sich mit dem Dreiklang Mode-Körper-Krieg

Mode, Körper, Krieg. Um diese drei Begriffe bewegt sich die neue Produktion der Tübinger Figurentheaterspielerin Anne- Kathrin Klatt „Glamour Phoenix – fashion & war“ die am Donnerstag im traditionsreichen Stuttgarter Zentrum für Figurentheater Fitz ihre Uraufführung erlebte. Mode und Körper, dazu gibt es sicher jede Menge Assoziationen. Mode schützt den Körper, sie bedeckt ihn, sie wärmt ihn, sie gibt vor, ihn zu verschönern. So weit so gut. Keine Frage ist es auch, dass Körper und Krieg miteinander zu tun haben. Denn der Körper ist egal bei welcher Art von Krieg, höchst gefährdet. Aber Mode und Krieg?

Anne- Kathrin Klatt ist, wie sie schreibt, auf die zunächst seltsame Trilogie gekommen, als sie über Lee Miller gelesen hat, die zu ihrer Zeit eines der erfolgreichsten Covergirls der „Vogue“ war, ehe sie 1944 als weibliche Kriegsreporterin mit den amerikanischen Truppen nach Europa ging und dort von den Kämpfen und Schlachten, aber auch von den gesellschaftlichen Beobachtungen berichtete, die sie beobachtete und erlebte.

Die Gedankengänge, die Überlegungen, die Erkenntnisse, die Schlüsse, die Klatt daraus entwickelte, auch in dem sie viele Klischees, viele festgefügte Bilder ins Wanken bringt, ergeben auf der Bühne des Fitz ein fantasievolles Bild. Mode ist eben nicht nur Schönheit. Mode ist Statussymbol und Makel in einem, Mode ist Individualität und Uniformität zugleich, Mode verhüllt und verrät, Mode selbst ist Krieg. 

Das alles verpackt Klatt in eine Revue deren Hauptsäulen zum einen die nahezu sensationellen Kostüme sind, die von der bei Stuttgart lebenden, im polnischen Krakau geborenen Bildhauerin und Performerin Justyna Koeke entworfen wurde. Schrill, schräg, absurd, wild und bunt setzt sie ganz eigene Zeichen wenn sie Anne- Kathrin Klatt mit diesen atemberaubend neuen Kreationen bekleidet. Diese schwebt dann als elfengleiches Karikatur eines Models über die Bühne, wobei deutlich die tänzerische Ausbildung zum Tragen kommt, die sie absolviert hat. Egal in welcher Situation, egal in welchem Zusammenhang, sie zeigt ein Model, entfernt von der Realität, ein Model in der Welt der Fashion, im Dschungel der Catwalks, die eben nur optisch so klar und gerade verlaufen. In stetig wechselnden Szenen finden wir uns im Krieg um Kundschaft, im eitlen Kampf um Schönheit, in der Sklaverei der Models und in der Ausbeutung der Produzenten von Mode wieder.

Man kann es schon als Trend bezeichnen, dass Figurenspieler und -spielerinnen  immer öfter selbst als Akteure im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Egal ob Puppen, Material wie hier die Kostüme und etliche Objekte wie Gliedmaßen aus Stoff, eine wabbeliges Skelett oder was sonst immer, die Hauptrolle übernimmt der Mensch. Das kann glücken wie im Falle von Anne- Kathrin Klatt hier. Denn sie schafft, was eben oftmals nicht gelingt: Die federleichte Fantasiewelt, die nur dieses Genre auszeichnet, die Möglichkeiten, physikalische, mentale, sprachliche und fest gefügte Grenzen außer Kraft zu setzen. Diese gesetzlosen anarchischen Möglichkeiten sind nicht ganz einfach zu erhalten, wenn der Mensch, der ja Träger Adressat und Nutzer der Realität ist auch auf der Bühne zum wahren, greifbaren  Bezugspunkt wird. Aber dank Kostümen, dank einer ausgefeilten Choreographie, gelingt es hier, die Grenzen auch mit dem menschlichen Körper zu sprengen, die bunte Fantasiewelt aufblühen zu lassen.

Aber die Gefahren dieser Art der Darstellung impliziert diese Produktion durchaus auch. Michael Miensopust, der auch für die Regie verantwortlich zeichnet, spielt auch mit und er gibt einen offensichtlich überforderten Fashion- Manager, der im Stress der Modenkriege krampfhaft versucht den Überblick zu behalten. Dramaturgisch bildet er einen Gegenpol zur schwebenden Modelfigur, er ist die böse Realität. So weit, so gut. Aber leider vermag er, wie es öfters im Figurentheater beim Einsatz von Sprechrollen geschieht, nur schwer zu überzeugen. Hölzern und platt wirkt er in vielen Szenen, oft linkisch und uninspiriert, was nicht nur an der Rolle, an der Figur, sondern an der schauspielerischen Leistung liegt. Zu Klischeehaft ist er mit seiner Sonnenbrille und seinem ewigen Handy am Ohr ausgefallen, eine unfreiwillig komische Karikatur. Und wenn er komisch sein soll, dann wird er eher peinlich.

Und so ist diese an sich sehenswerte Arbeit, mit den sagenhaften Kostümen, mit der so treffenden Modeldarstellung, nicht ganz ohne Wermutstropfen, bleibt aber auch dank der sehr feingliederigen detailreichen Arbeit mit Musik, mit dem Licht, mit den Videobildern, sehr sehenswert.

 

Dauer: ca. 60 Minuten

Idee und Spiel: Anne-Kathrin Klatt, Michael Miensopust
Bühne/Kostüme/Figuren: Justyna Koeke, Anne-Kathrin Klatt
Musik: Christian Dähn
Licht/Ton: Doris Schopf
Dramaturgische Beratung: Sabine Altenburger
Regie: Michael Miensopust

                   

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