Die aktuelle Kritik

Theater Dortmund: "Republik der Wölfe"

Von Ulrike Weidlich

Die nicht sehr pädagogische Inszenierung ist ein Märchenmassaker mit Live-Musik.

 

Fotos: Birgit Hupfeld

 

Keine Frage der Moral

In Zeiten, in denen pädagogische Überlegungen dazu führen das Brutale aus dem Märchen zu verbannen, um den Nachwuchs ja nicht zu traumatisieren, besinnt man sich in Dortmund auf eben diese Stärke: das Schaurige im Märchen.

Claudia Bauer, deren legendäre Tarzan-Inszenierung am Puppentheater Halle kürzlich nach 13 Jahren eine Renaissance erlebte, produzierte nun in Dortmund „REPUBLIK DER WÖLFE – Ein Märchenmassaker mit Live-Musik“. Der Titel, insbesondere der Teil mit dem Massaker, kann dabei durchaus ernst genommen werden und gibt eine ungefähre Vorahnung auf das, was da kommt. Denn in der Inszenierung kratzt die Regisseurin an den Passagen, die dem Grimmschen Werk einst seinen Charakter als Unterhaltungsgeschichten für Erwachsene gegeben haben.

In einem heruntergekommenen, puppenhausartigen Kubus (Bühne: Andreas Auerbach) sind auf zwei Etagen Räume angeordnet, in denen sich im Laufe des Abends neun Momente aus dem bekannten Märchenfundus präsentieren. Gerahmt werden die grotesk anmutenden Sequenzen von Jakob und Wilhelm Grimm (Sebastian Kuschmann, Ekkehard Freye) und deren Zwist, ob denn da am Ende nun eine Moral sein sollte oder nicht. Dass zwischen Rotkäppchen, dem Froschkönig, Rapunzel und Aschenputtel auch weniger populäre Geschichten, wie etwa „Die 12 tanzenden Prinzessinnen“, einen Weg in die Inszenierung gefunden haben, überrascht zunächst. Ruft man sich allerdings ins Gedächtnis, dass Anne Sextons Lyrikband „Verwandlungen“ einen Grundpfeiler des Abends bildet, erklärt sich die Auswahl. In den 1971 erschienenen Gedichten adaptiert Sexton die Hausmärchen und transformiert sie mit ironisch-gesellschaftskritischem Blick in Kommentare zur Moderne. Poetische Derbheit und schwarzer Humor der Texte spiegeln sich in Claudia Bauers Bühnenversion.

Begleitet wird der Dortmunder Ritt durch die Finsternis von einer clever eingesetzten Kamera-Live-Übertragung (permanent mitlaufend: Jan Voges), die sichtbar macht, was da im nicht immer stillen Kämmerchen vor sich geht. So zeigt sie etwa ein verstörend großartiges Rumpelstilzchen (Uwe Schmieder), das nicht zuletzt durch seinen mittels Puppenhänden verfremdeten Körper beeindruckt. Zugleich wird die Kamera jedoch auch als verblüffend-belustigender Kunstgriff benutzt, um die Techniken zu enttarnen, derer sich das Ensemble zur Erzeugung dieser teils bizarren Sequenzen bedient.

So gelingt es diesem Abend am Schauspiel Dortmund, der vor allem durch starke Bilder und noch stärkere Live-Musik (Paul Wallfisch, The Ministry of Wolves) getragen wird, ein wohliges Schauern zu bereiten.Und während die Gebrüder Grimm noch uneins sind, ob denn nun Märchen zur Erziehung benutzt werden sollten oder nicht, stellt sich für die Betrachtenden die Frage der Moral gar nicht mehr.

 

 

Theater Dortmund/Schauspiel, Republik der Wölfe – Ein Märchenmassaker mit Live-Musik
von Claudia Bauer und The Ministry of Wolves nach den Brüdern Grimm und Anne Sexton
Regie: Claudia Bauer
Musik: "The Ministry of Wolves": Alexander Hacke, Mick Harvey, Danielle De Picciotto, Paul Wallfisch, Musikalische Leitung: Paul Wallfisch
Bühne: Andreas Auerbach
Kostüme: Patricia Talacko
Dramaturgie: Alexander Kerlin
Live-Kamera & Video-Art: Jan Voges,
Soundeffects: Mario Simon, Licht: Sibylle Stuck
Ton: Gertfried Lammersdorf, Chris Sauer
Mit: Friederike Tiefenbacher, Sebastian Kuschmann, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Caroline Hanke, Julia Schubert, Uwe Schmieder, Frank Genser, Ekkehard Freye, Bettina Lieder und Mitgliedern des Dortmunder Sprechchors.

 

Premiere 15. Februar 2014

 

www.theaterdo.de

 

 

In Zusammenarbeit mit double - Magazin für Figuren-, Puppen- und Objekttheater

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