Theater

Das Kölner Künstler Theater - Vom Kindergeburtstag zur eigenen Bühne

von Max Florian Kühlem

Grüne Balkone, das lag wohl auf der Hand, leuchten dem Besucher des neuen Kölner Wohnviertels am Grünen Weg schon von weitem entgegen. Damit in der ruhigen Ecke des begehrten Ehrenfelds nicht nur gewohnt, sondern auch gelebt und Kultur genossen wird, begrüßten Stadt und Bauherr (die GAG Immobilien AG) die Ansiedlung eines Theaters.

 

Das Kölner Künstler Theater ließ sich die Chance nicht entgehen, zog kurz vor seinem 20. Geburtstag um und hat jetzt perfekte Räume für sein qualitativ hochwertiges Figurentheater-Programm für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. "Das alte Haus war baufällig, wir hatten keine Garderobe, die Bühnenverhältnisse waren beengt", erinnert sich Georg zum Kley an das ehemalige Domizil, das nur 700 Meter entfernt an der Stammstraße lag. Seit 1995 leitet er das Kölner Künstler Theater, vor zehn Jahren ist seine Frau Ruth dazu gekommen, die als promovierte Kulturmanagerin organisatorische Aufgaben übernahm und nach und nach auch mit in die künstlerische Arbeit einstieg.

Nicht ohne Stolz führt das sympathische Paar durch die neuen Räume. Der Eingangsbereich ist ein lichtdurchflutetes Café, eingerichtet mit viel hellem Holzmobiliar, das zu Veranstaltungen geöffnet hat. Auch die Nachbarschaft ist dann herzlich willkommen. Herzstück ist der große Theatersaal mit weitem und wandelbarem ebenerdigem Bühnenraum und knapp 150 Plätzen. "Wir haben einen gehobenen Rohbau über zwei Stockwerke eines Wohnhauses bekommen und den fertigen Boden", erklärt Ruth zum Kley, "die Stadt unterstützt das Theater mit einer Konzeptionsförderung, ansonsten erwirtschaften wir als Privattheater alles selbst."

Zusätzlich konnten die Theatermacher allerdings einige Unterstützung an Land ziehen: Eine Drei-Jahres-Projektförderung vom Land, die Rhein-Energie-Stiftung Kultur hat den Aufbau des neuen Hauses gefördert, die Kämpgen Stiftung unterstützt den Weg zu einem barrierfreien Theater, "Wir helfen" und die GAG unterstützen die integrative und inklusive Workshop-Arbeit.

Kräfte zehrender Neubau

Abseits der finanziellen Unterstützung haben die Künstler den Ausbaus des Theaters jedoch selbst gestemmt nachdem sie eineinhalb Jahre lang ständig in Baubesprechungen saßen. "Das war Kräfte zehrend", gesteht das Paar ein, "aber es hat sich gelohnt." Es hat sich gelohnt, um in der größten Stadt NRWs die Fahne des ambitionierten, Genre-Grenzen sprengenden Figuren- und Objekttheaters hochzuhalten, das hier keine große Lobby hat. "Neville Tranter war schon da, Duda Paiva oder Polina Borisova", sagt Ruth zum Kley: "Leute, die auf allen Festivals spielen, aber noch nie in Köln waren." Sie sind Stars im Erwachsenenprogramm, das mit rund 30 Vorstellungen im Jahr bedient wird.

Größte Zielgruppe des Kölner Künstler Theaters bleiben allerdings Kinder (auch die Allerkleinsten) und Jugendliche. Nicht nur, weil man mit einer Mischung aus Figurentheater und Schauspiel für Kinder besser die Bude voll kriegt, sondern auch, weil es eine Herzensangelegenheit und Tradition der Theatermacher ist. Nachdem Georg zum Kley eine klassische Schauspielausbildung an der Folkwang-Hochschule in Essen durchlief, Hörspiele für den WDR schrieb und als selbstständiger Schauspieler und Autor anfing, eigene Theaterstücke zu konzipieren, kam ein Auftrag rein: "Für 300 Mark sollte ich ein Stück für einen Kindergeburtstag schreiben."

Er kannte das Geburtstagskind, das gut ausgestattet war "mit Elektrospielzeug und allem möglichen Kram." Also sollte auch im Stück aller möglicher Kram eine Rolle spielen – anders ausgedrückt: Figuren und Objekte. Vorher hatte der junge Theatermacher vor allem "knallhartes, pädagogisches Jugendtheater zu Gewalt und Drogen" gemacht. Jetzt ließ er seiner Phantasie freien Lauf, baute ein Wesen vom anderen Stern, das Zwirplein, baute Figuren aus Tüten und Bechern und improvisierte eine Bühne aus einem Sonnenschirm. Es gab auch einen Bösewicht, den Professor, der dem Zwirplein immer Spinat einflößte. "Das war ein echtes Anarchostück und ich habe gemerkt: Mit Figuren ist man nicht so begrenzt – man kann durch den Weltraum fliegen", erinnert sich Georg zum Kley.

Nach besagtem Geburtstag bekam er viele Anfragen für ähnliche Stücke, schaute sich in der Figurentheaterszene um, entwickelte seinen Stil. "Am Anfang stand ich noch viel hinter dem Vorhang und bewegte nur die Figuren, aber nach und nach traute ich mich nach vorn, lernte den Wechsel von Schauspiel und Figurenführung."

Auf Wanderschaft

Um Spielarten des wandlungsreichen Figuren- und Objekttheaters kennenzulernen, ging Georg zum Kley auf Wanderschaft. "Ich habe eine Zeit in Spanien gelebt und mich einem Wandertheater für Kinder mit riesigen Figuren angeschlossen. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen: Warum beeindruckt mich eine Figur?" Zum Beispiel beim Festival Fidena in Bochum: Da sah er "Woyzeck on the highveld" von der südafrikanischen Handspring Puppet Company und dem Künstler William Kentridge. In einer Szene ohne Worte, in der drei Spieler die Woyzeck-Puppe führen, die den Tisch für den Major deckt, musste er die Tränen zurückhalten und begriff: "Dieses Spiel rührt an einem Urmoment des Theatralen."

Heute ist das Puppenspiel, bei dem die Spieler sichtbar sind und meist mit interagieren ein wesentliches Kennzeichen der Kölner Bühne. "Es gibt nie reines Schauspiel oder reine Puppenspiel", sagt Ruth zum Kley. In "Peter Pan" zum Beispiel arbeiten die Künstler mit Elementen des Schatten- und Objekttheaters, in "2101 – Odyssee im Weltraum" mit Videokunst und Livemusik - eine Handpuppenbühne im kleinen Maßstab wird groß projiziert, ein Musiker lässt Klangwelten mit Urgeräuschen entstehen. Duda Paiva stand für diese Idee Pate.

Lebenslang lernen Ruth und Georg zum Kley beim Figurenspiel dazu. "Es gibt einen eigentlich einfachen Grundsatz", sagt Georg zum Kley: "Schaut man dem Figurenspieler in die Augen während die Figur spricht, dann ist es falsch." Jetzt ergänzen sich beide schnell. Ruth: "Es hat viel damit zu tun, wie man Energie und Aufmerksamkeit zur Figur lenkt – wie man als Spieler hinter ihr zurücktritt." Georg: "Irgendwann hat man die Figur so weit, dass sie selbst lebt durch ihre Bewegungen, dass man manchmal überrascht ist, was sie macht, obwohl – wie bei der Klappmaulpuppe, der eigene Arm in ihr steckt." Ausdruck für dieses leicht schizophrene, "aber auch irgendwie geile" Gefühl findet Georg zum Kley regelmäßig in seinem Solo "Dr. Jekyll und Mr. Hyde". "Ich bin jedesmal gespannt auf das Dunkle und Böse, das in der Figur steckt."

Fresssack auf dem Schoß

Mittlerweile ist das Paar beim Theaterrundgang im zweiten Stockwerk angelangt, der Büroräume, Rückzugsmöglichkeiten für die Künstler und ein Lager mit Figuren beherbergt, die von renommierten Puppenbauern wie Monika Siebold oder Bodo Schulte geschaffen wurden. "Wenn ich eine neue Puppe bekomme, nehme ich sie mit nach Hause, lerne sie kennen", sagt Georg zum Kley und nimmt liebevoll den "Fresssack" auf den Schoß, einen Banker- oder Managertypen, der eigentlich nur aus einem fetten Oberkörper und einem riesigen Maul besteht. Man versteht diesen Typen sofort, aber im Spiel kann er eine zweite Eben bekommen. "Theater soll nicht nur was für intellektuelle Spezies sein", findet das Kölner Theaterpaar. "Unser Anspruch: Man muss verstehen können ohne vorher ein Programmbuch zu lesen."

Das Publikum – zumindest im Erwachsenenbereich - soll sich im besten Fall am Abend spontan entscheiden: Gehen wir in die Kneipe, ins Kino oder ins Theater? "Die Formen des Figurentheaters bieten dafür durch ihre Unmittelbarkeit alle Möglichkeiten."

 

Das Kölner Künstler Theater auf Fidena.de finden Sie hier.

 

Das Kölner Künstler Theater im Netz: www.k-k-t.de