Die aktuelle Kritik

Thalias Kompagnons: Rabenschwarz und Naseweiß

von Katharina Wasmeier

Überraschende und fesselnde neue Produktion der Nürnberger Maltheater-Pioniere.

 

Weiß und Schwarz in prächtiger Harmonie

Wenn Weiß und Schwarz auf Abenteuerreise gehen, kann das denn funktionieren? Kann so viel Kontrast harmonieren? Und taugen ein bisschen Farbe und eine Tafel dazu, große Geschichten zu erzählen, zu fesseln, zu überraschend und mitzunehmen auf ein jauchzendes Aha? Ja, ja und ja! Das beweisen die Nürnberger Maltheater-Pioniere „Thalias Kompagnons“ mit ihrer neuen Produktion „Rabenschwarz und Naseweiß oder: Wo kommen die Bilder her?“

„Ein kleines Weiß ging gern spazieren“, so beginnt die Geschichte einer großen Freundschaft zweier Gegensätze, die mit schlichtesten Mitteln einen wahren Regenbogen erzählt. Von Joachim Torbahn – in Malerkittel und Einsteinfrisur – wird sie unter der Regie von Tristan Vogt so behutsam auf die Bühne gebracht, dass man vor lauter gebanntem Hinsehen schier vergisst, dass da irgendwie ein Mensch verwickelt ist.

Denn das kleine Weiß und das kleine Schwarz harmonieren prächtig miteinander. Der Trick ist denkbar simpel: weiße Farbe unterschiedlicher Konsistenz – mal träg viskos, mal wasserplätschernd – wird auf eine schwarze Tafel aufgebracht und wieder entfernt, und das immer hübsch im Wechsel. Aber da kann man freilich spielen, mit der Farbe, kann man Gesichter reinmalen und Formen und Schatten, kann man große Flächen freischaufeln und kleine drauf hüpfen lassen. Kann man die Verhältnisse umkehren, zackzack, und dann ist da plötzlich ein riesiger dunkler Elefant im grad noch fleckigen Hell, wenn Weiß und Schwarz miteinander spielen, sich streiten ums Bild und formen und weiterspinnen.

Das kleine Weiß geht gern spazieren, und dabei malt es in einer fließendfeinen Bewegung Bäume und Tiere und Blumen, „das hast du aber schön gemacht, sagte der Garten, und das Weiß fing an zu strahlen“, und es gibt eine Mordssauerei, wenn der Farbenpuppenspieler das Weiß zum Strahlen bringt mit seinen Händen.

Es ist eine sehr dynamische, sehr organische, leichte Spielerei. Man schaut gebannt dabei zu, wie sie sich stets verändert, eine Überraschung auf die nächste folgt, wenn aus der grad erst vergnüglich gebauten Szenerie mit zwei, drei wilden Zügen urplötzlich eine ganz andere entwächst. Ein ewiger Montagsmaler, der einen des Ratens nicht müden werden lässt, ein Kaleidoskop, das mit der kleinsten Drehung in völlig neuer Schönheit erstrahlt. Es wird gekratzt und gewischt, getupft und geschabt und gespritzt und gesaut und die kleinen Entdeckungsreisenden, die jauchzen vor Schreck und vor Freude in einem.

„Komm in mein Haus“, sagt das Schwarz, und „sehr gerne“ das Weiß, und hüpft von Fenster zu Fenster und setzt hier eine Katze rein und dort einen Stern, bis kein Platz mehr ist, „dann fahren wir eben in den Urlaub“, beschließen die Freunde, und mit lautem Getöse lässt der Puppenspieler erst die Tafel in weißem Qualm verschwinden, um gleich darauf hieraus ein Gebirge zu bobrossen. Die Freunde entdecken einen Märchenwald, in dem seltsame Dinge geschehen, staunend beobachtet man, wie Zäune zu Schienen zu Schlangen metamorphisieren und von Blitzen und Donnern hinfortgewittert werden.

Und dann, irgendwann, nach einem Besuch im prächtigen Atlantis, ausgiebigem Badespaß, Begegnungen mit Walen und einem großen, heidenspaßigen Grusel, da geht der Mond auf und alle sind erschöpft. „Gute Nacht, kleines Weiß!“, sagt das kleine Schwarz zu seinem Freund.

 

Premiere: 22. Januar 2016 im Programm des Kindertheaterfestivals Panoptikum im Künstlerhaus Nürnberg
 

0 Kommentare

Neuer Kommentar