Die aktuelle Kritik

Theater Junge Generation Dresden: "Doing it"

Von Tobias Prüwer

Die Inszenierung fragt nicht, ob man jugendliche Sexualität thematisieren darf - sondern wie.

 

Foto: Klaus Gigga

 

Schamlos-fröhliche Heranwachsenden-Suche nach dem ersten Sex

„Ich!“, „Oh nö!“, „Bäh!“: Beim Pinkelgespräch der Puppen übers Flirten und Fummeln stoßen einige Zuschauer offenkundig an ihre Grenzen. Dann aber wird schon wieder gelacht in den Publikumsreihen. „Feixt du noch oder fickst du schon“ könnte der Subtext der locker- hemmungslosen Inszenierung lauten, die sich dennoch den Jugendlichen nicht anbiedert. Darum macht die Produktion des Dresdner Theater der Jungen Generation auch älteren Semestern Spaß. Wer kennt sie nicht, die Probleme mit dem Heranwachsen?

Schulschwarm Dino hat sich in die schöne Jackie verliebt, die aber nicht leicht zu haben ist. Während seine Freunde Ben und Jonathon ihre eigenen amourösen Erfahrungen sammeln, vergnügt sich Dino hinter Jackies Rücken mit einer anderen – bis beide das spitz kriegen und süße Rache üben. Melvin Burgess’ Roman „Doing it“ hat 2004 Diskussionen ausgelöst. Dabei sollte die entscheidende Frage nicht sein, ob man jugendliche Sexualität thematisieren darf, sondern wie. So zielt diese Inszenierung (Regie: Ivana Sajevic) mittenrein in die Bauch- und Leistengegend, gibt den hübsch unverkrampften Text ohne viele Brechungen oder Filter. Schnörkellos werden die Tatsachen des Lebens verhandelt, denen das Publikum zwischen Giggeln und Verlegenheitsgefühl unmittelbar ausgesetzt ist. Für Schulklassen allerdings hat das TJG einen Schutzmechanismus eingerichtet: Lehrer dürfen die Klassen nicht begleiten, sondern verfolgen die Inszenierung am Bildschirm: Die Schüler brauchen sich in ihren Reaktionen nicht zurückhalten.

Unschuldig weiß sind die Kostüme der vier Spieler und die Bühne gehalten. Links und rechts türmen sich jeweils Polygon-Stapel, die ebenso wie der leere Raum ringsum zur Spielfläche für die sehr realistischen Puppen – ein Dresdner Markenzeichen – werden. Eine dahinter befindliche Leinwand dient als Fläche für Videoprojektionen, in welche auch die Kulissenkörper einbezogen werden. Das schafft neben dem Spiel eine weitere Ebene, die zu Illustration sowie Abstraktion benutzt wird. So führt eine Alptraumszene filmisch auf die urologische OP-Bank, Kussszenen aus „Titanic“ und „Spiderman“ untermalen große Gefühle, stöhnende Gesichter aus Sexfilmen füllen mit (vorgegebener) Lust den Raum. Und wenn Dino wütend das Bühnenbild zerhaut, zeigen sich projizierte Risse und zerspringendes Glas.

Als Spielfläche dienen auch die Figurenspieler, die jeweils zu mehreren eine Puppe fast hyperrealistisch animieren. Wenn sie nicht gerade wie Statisten etwa als tanzendes Partyvolk auftreten, bilden sie bespielbaren Grund. Nur eine Spielerin wird als Schüler verführende Lehrerin aktiver Charakter. Im Schlussbild verschmelzen Puppen und Spieler zum Knäuel libidinöser Leiber.

Alle Geräusche werden von den Spielern am Rand selbst erzeugt, Musikeinsätze erhalten das Tempo. Zwischen Onanie und erster Liebe, Kastrationsangst und verkrampften Handgelenken beim Fummeln wird mit Unsicherheiten im Körpergefühl und Fragen der Freundschaft das ganze Pubertätspaket geschnürt. Die Jugendlichen werden direkt angesprochen, wunderbar auf ihre Reaktionen hingespielt. Bei einer Knutschorgie kommt ein „Phillip, guck weg“ aus den Zuschauerreihen. Einen Bühnenwitz über dicke Mädchen, kommentiert ein Junge: „Der war schlecht.“

 

Theater Junge Generation Dresden, Doing it

von Melvin Burgess / aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel / in einer Fassung von Nicola Bongard
Regie: Ivana Sajevic

Bühne/Puppen/Kostüme: Rita Hausmann /

Video: Franz Ehrenberg

Es spielen Patrick Borck, Manuel de la Peza, Anna Menzel, Annemie Twardawa


Premiere: 17. Mai 2014

 

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In Zusammenarbeit mit double - Magazin für Figuren-, Puppen- und Objekttheater

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